Diandra Donecker - Kunsthistorikerin und Grisebach-CEO

Obwohl Berlin im letzten Jahr 30 Jahre Mauerfall feierte, ist die Stadt in ihrem Erscheinungsbild bis heute sehr unterschiedlich. Während man sich an einem Tag inmitten der brutalistischen Architektur der Karl-Marx-Allee wiederfindet, welche die Bezirke Mitte und Friedrichshain verbindet, kann man schon im nächsten Augenblick in den cremefarbenen Straßen Charlottenburgs landen, die von verzierten Gebäuden mit Turmdächern und Doppeltüren geprägt sind. Genau so mutet die Villa Grisebach an. Die opulente Villa steht in der grün belaubten Fasanenstraße, unweit des Kurfürstendamms. Der Architekt Hans Grisebach erbaute sie 1891-1892 als Atelier- und Wohnhaus. Heute beherbergt die Villa Grisebach ein renommiertes Auktionshaus, das sich auf Kunstwerke des 19., 20. und 21. Jahrhunderts spezialisiert hat. 2019, im Alter von nur 30 Jahren, übernahm Diandra Donecker die Geschäftsführung des Hauses. Als ausgewiesene Expertin für Fotografie leitet sie zudem die Fotoabteilung. Wir haben uns mit ihr getroffen, um mehr über die Macht der weiblichen Fotografie, Vorbilder in der Kunstwelt, die Vermischung alter und neuer Ästhetik zu erfahren und der Frage nachzugehen, warum Auktionshäuser für alle offen sein sollten.

Die Vermischung von Alt und Neu ist etwas, das einen wesentlichen Teil der DNA von Grisebach ausmacht.
- Diandra Donecker

Diandra, wann hast du zum ersten Mal dein Interesse an der Kunst entdeckt?


Meine Mutter ist Kunsthistorikerin, mein Vater hat Fotografie studiert und alle meine Familienmitglieder mütterlicherseits sind in der Industrie tätig, entweder als Künstler oder als Händler. Ich war also von der Kindheit an immer schon von Kunst umgeben und ging oft in Museen. Als mir klar wurde, dass man davon leben kann, bin ich direkt nach München gegangen, um Kunstgeschichte zu studieren. Ich war sehr entschlossen, meine Leidenschaft für das Thema zum Beruf zu machen.


 


Was waren deine ersten Erfahrungen in der Kunstindustrie?


Ich habe 2008 mit dem Studium begonnen und wegen der Wirtschaftskrise parallel immer ein oder zwei Praktika pro Jahr gemacht. Ich dachte, je mehr Leute ich kennen lerne, desto einfacher wird es sein, in Zukunft einen Job zu bekommen. Das erste Praktikum absolvierte ich in der Galerie Bellinger in München, die jetzt geschlossen ist. Später ging ich für ein neunmonatiges Praktikum in der Abteilung für Druckgrafik und Handzeichnungen zum Metropolitan Museum of Art in New York, bevor ich meine erste Vollzeitstelle bei Christie's in London und München antrat. In München arbeitete ich unter der Direktorin Marie Christine Gräfin Huyn, die eine fantastische Chefin war. Sie ist sehr klug und präzise und wurde zu meinem Vorbild. In der Kunstwelt glaubt man, dass es eine Menge mächtiger Frauen gibt, aber je höher man die Karriereleiter hinaufsteigt, umso mehr stellt man fest, dass die meisten Führungspositionen von Männern bekleidet werden.


 


Was hat dich zuerst an der Arbeit bei Grisebach gereizt?


Eigentlich alles! Vom ersten Moment an, als ich über das Unternehmen und seine Geschichte las, hatte ich das Gefühl, hier arbeiten zu müssen. Das Auktionshaus wurde 1986 gegründet, noch vor dem Fall der Berliner Mauer. Der Gründer Bernd Schultz hatte einen Traum von einem vereinten Deutschland ohne Grenzen und wollte, dass Griesbach das verkörpert und ein Auktionshaus für ganz Deutschland wird.


Ich finde es außerdem sehr besonders, wie die Kunst hier behandelt wird. Hier arbeiten fast 55 Menschen, und etwa 40 davon sind Kunsthistoriker. Viele der Kollegen hier sind Experten oder haben Bücher über bestimmte Künstler geschrieben. Dadurch ist die Qualität der Auseinandersetzung mit Kunst sehr hoch, sie ist geprägt von einer Menge Leidenschaft und Liebe für die Sache.

Wie sieht ein durchschnittlicher Tag für dich aus?


Ich komme gegen 09.30 Uhr in die Villa. Mein Tag beginnt mit einer Begrüßungsrunde. Es ist mir sehr wichtig, dass sich das Team persönlich angesprochen und verbunden fühlt, außerdem steigt die Motivation durch die Interaktion miteinander. Dann habe ich normalerweise etwa zwei Stunden Zeit, um meine E-Mails zu bearbeiten. Zum Mittagessen treffe ich mich häufig mit Kunden, um Versendungen und Anschaffungen für das Haus zu besprechen. Nachmittags kommen Leute zu mir ins Büro oder ich habe einige Besprechungen, um die strategische Ausrichtung des Hauses oder bevorstehende Veranstaltungen durchzugehen, die wir organisieren. Das sind zum Beispiel Vorträge, Diskussionen oder Ausstellungen. Meistens bin ich auch abends zum Essen verabredet oder besuche Eröffnungsempfänge und Vorträge, um andere Experten zu treffen. Ich bin also mehr oder weniger stets in Bewegung und verbringe nicht allzu viel Zeit vor dem Computer.

In der Kunstwelt glaubt man, dass es eine Menge mächtiger Frauen gibt, aber je höher man die Karriereleiter hinaufsteigt, umso mehr stellt man fest, dass die meisten Führungspositionen von Männern bekleidet werden.
- Diandra Donecker

Es klingt, als müsstest du in deiner Arbeit sehr flexibel sein. Ist die Flexibilität der USM Möbelbausysteme der Grund, warum sie in den Grisebach-Büroräumen eine wichtige Rolle spielen?


Auf jeden Fall. Die Flexibilität der USM Möbel ist für uns äußerst wichtig, da wir vor unseren Kunstvorführungen und Auktionen alle Räume leer räumen müssen. Die USM Haller Sideboards, die abschließ- und rollbar sind, sind dafür perfekt geeignet. Wir können die Möbel einfach in andere Räume stellen, wo sie von den Besuchern nicht gesehen werden. Gleichzeitig sind sie nicht nur praktisch, sondern sehen auch im Alltag in unseren Büros sehr elegant aus.


Ich finde, dass USM im Allgemeinen eine sehr schlichte, klare und zurückhaltende Ästhetik hat. Wenn wir unsere Kunden in unsere Büros einladen, drängen sich die Möbel ihnen nicht auf, sie werden nicht abgelenkt. Es ist wie eine monochrome Leinwand, um die herum sich alles fügt.


 


Wie passt die moderne Ästhetik der USM Möbelbausysteme zu den ursprünglichen Merkmalen des Hauses?


Ich denke, die Vermischung von Alt und Neu ist etwas, das einen wesentlichen Teil die DNA von Grisebach ausmacht. Wir kombinieren immer verschiedene Elemente in Bezug auf die Kunst, die wir kaufen und verkaufen. Sei es die Verbindung von Medien wie Malerei und Fotografie oder die Vermischung von Epochen und Stilen wie Arbeiten aus dem 19., 20. und 21. Jahrhundert. USM ist daher eine exzellente Ergänzung zu der Kunst, die wir präsentieren. Wie ich bereits erwähnt habe, ist gerade die Einfachheit eine perfekte Erweiterung zu Grisebach, weil es nicht zu aufdringlich ist, sondern sehr diskret. Wie eine Hintergrundmusik.


 


Du hast gerade die Fotografie, dein Fachgebiet, erwähnt, die im Vergleich zu Disziplinen wie Malerei und Skulptur eine sehr moderne Kunstform ist.


Ja, es ist ein sehr neues Feld auf dem Markt. Für einige Leute – aufgrund der technischen Aspekte des Mediums – hat sich die Fotografie schon immer eher als Wissenschaft denn als Kunstform empfunden. Wir haben immer noch einige Kunden oder Kontakte, die mich bitten, ihnen zu erklären, was das Besondere an der Fotografie ist, im Vergleich zu etwas, das sie vielleicht als gekonnter ansehen würden. Heutzutage ist es so einfach, auf Kameras zuzugreifen. Wir alle haben eine in unserem Telefon und sind es gewohnt, Bilder auf Instagram zu teilen, sodass wir das Gefühl haben, dass uns das Fotografieren vertraut und normal ist. Aber wenn man sich die Abzüge, die wir bei Grisebach verkaufen, anschaut, sieht man ihre hervorragenden Kompositionen. Sie sind auf schönem Papier gedruckt und die Leute, die sie gemacht haben, kennen sich mit ihrer Kunstform hervorragend aus. Es ist viel mehr als nur der Klick auf einen Knopf. Ich hoffe, dass die Popularität von Instagram und anderen bildbasierten Plattformen das Interesse der Menschen an der Fotografie und ihrer Geschichte tatsächlich noch steigern wird.

Kannst du uns ein paar deiner Lieblingsfotografen nennen? Und unterscheidet sich dein persönlicher Geschmack in der Fotografie von deinem professionellen?


Ich liebe Porträts und zurzeit verehre ich Germaine Krull, eine Fotografin aus den 1920er-Jahren. Als Frau durfte man damals ohne die Zustimmung des Ehemannes keine eigene Wohnung oder Arbeit haben. Die Fotografinnen, zu denen auch Krull gehörte, waren so selbstbewusst, dass sie einfach ihre Gelegenheit ergriffen und mutig genug waren zu sagen: „Ich will eine Kamera und fotografieren!“


Was die Arbeiten betrifft, die ich für Grisebach erwerbe, ist es ein bisschen anders. Für die Fotoabteilung ist es immer phantastisch, wenn wir Kunstwerke anbieten können, die für ihre Zeit etwas Besonderes sind, die einen Seltenheitswert haben und in einem exzellenten Zustand sind. Ich würde nicht sagen, dass ich als „Fotoabteilung“ Vorlieben für Künstlerfotografen habe. Das würde unsere Auswahl sehr einschränken und wir müssen auch die Kommissionsverkäufe berücksichtigen, die wir verantworten.


 


Was machst du außerhalb der Arbeit?


Ich lese sehr gerne und ich liebe das Theater, aber am liebsten genieße ich gemeinsame Essen mit Familie und Freunden. Entweder koche ich selbst oder gehe zum Essen aus – ich kenne mich in der Berliner Restaurantszene sehr gut aus. Einer der schönsten Orte, die ich kürzlich besucht habe, war das Lode & Stijn, ein skandinavisches Lokal in Kreuzberg. Dann liebe ich natürlich die Paris Bar. Ein sehr berühmter Ort, der schon seit den späten 1970er-Jahren Zentrum der Kunstszene ist und immer noch voller Energie steckt.


Ich glaube, Berlin ist die einzige Stadt in Deutschland, die mit Metropolen wie London und Paris vergleichbar ist. Sie ist so weitläufig und bietet so viele Möglichkeiten, man selbst zu sein.


 


Du scheinst dich in Berlin sehr heimisch zu fühlen. Welche Hoffnungen hegst du für die Zukunft der Berliner Kunstwelt und insbesondere für Grisebach?


Ich möchte wirklich gute Kunst mit dem bestmöglichen Ergebnis für alle meine Kunden verkaufen. Ich möchte, dass das Haus ein offener Ort für alle ist, die neugierig sind. Wir arbeiten viel daran, es zu öffnen, indem wir ausschließlich Online-Auktionen einführen und kostenlose Ausstellungen, Veranstaltungen und Parties veranstalten. Ich möchte nicht, dass jemand in Frage stellt, ob er das Haus betreten darf oder nicht.


Ich hoffe, dass Berlin weiterhin Künstler schützt und nährt. Ich hoffe auch, dass Berlin als Stadt aufhört, in Trennungen und Grenzen zu denken, insbesondere zwischen den Orten, die als Galerien, Auktionshäuser oder Ateliers definiert sind. Wir gehören alle zusammen – und sollten alle zusammenarbeiten.

Berlin ist die einzige Stadt in Deutschland, die mit London oder Paris verglichen werden kann. Sie ist so weitläufig und bietet einem so viele Möglichkeiten, man selbst zu sein.
- Diandra Donecker

Vielen Dank Diandra, dass du uns heute die Türen zu deinen Büroräumen in Berlin geöffnet und einen Einblick in den deutschen Kunstmarkt gegeben hast.


 


Dieses Porträt hat das internationale Interviewmagazin Freunde von Freunden produziert.